Sollte es ein Motto geben, ist dies meines:

"Jedenfalls ist es besser, ein eckiges Etwas zu sein als ein rundes Nichts." Friedrich Hebbel

Welches Genre lest ihr?

Blutkrone; Genre: Historischer Krimi; Verlag: Net-Verlag; ISBN: 978-3-944284-07-1; Preis: 11,95 €; Erscheinungstermin: 24. Juni 2013

Montag, 9. September 2013

Friedhof der Unschuldigen - Leichen, Knochen und Verwesung

Autor: Andrew Miller
Titel: Friedhof der Unschuldigen
Hörbuch gelesen von Frank Stöckle (6 CDs) 447 Minuten
Genre: Historische Fiktion
ISBN-10: 3899644999 
ISBN-13: 978-3899644999
Preis: 22,95 € 
Erscheinungstermin: 1. August 2013




Inhalt:

Paris, 1785. Ingenieur Jean-Baptiste Barrate wird vom Ministerium beauftragt, den "Friedhof der Unschuldigen" zu zerstören und
die Leichen umzubetten, weil der Gestank der Verwesung über
der ganzen Stadt hängt.

Baratte engagiert Bergleute aus Flandern, die ihm bei der
Beseitigung der sterblichen Überreste helfen. 

Während seiner Ausgrabungen befreundet sich der Ingenieur mit
dem Organisten der Friedhofskirche, die abgerissen werden soll und dem Arzt Guillotin, der anatomische Studien an den Skeletten
vornimmt. 

Außerdem verliebt sich Baratte in die Prostituierte Héloise.

Alle Ereignisse werden von der herannahmenden Revolution umweht.

 






Story/Handlung/Dialoge/Spannung:


Zu meinen Vorerwartungen:
Von diesem Hörbuch habe ich mir aus zwei Gründen sehr viel versprochen, 1.) weil es historische Elemente mit Fiktion verbinden sollte und 2.) weil das Buch den Costa Novel Award 2011 gewonnen hat.

Zur Realität:
Die Stimmung in Paris vor der Revolution ist bedeutungsschwanger
und treffend eingefangen worden. So könnte es sich angefühlt haben, zu der Zeit an diesem Ort zu leben. Dieser Aspekt hat mich beeindruckt, ebenso wie die brilliante Ausdrucksweise des Autors.
Man sieht die Skelette vor sich, wie sie sich bis zum Himmel aufschichten. Atemberaubende Bilder von schmerzhafter Intensität.
Eines steht fest: Andrew Miller vermag schön zu schreiben, wenn da nicht zugleich ein dickes ABER wäre.

Leider bleiben die Figuren sehr blass und entwickeln keine Tiefe, die man bei der Beobachtungsgabe des Autors erwarten hätte können. Zudem warten die fiktiven Elemente vergeblich auf eine Einlösung. Man erfährt nicht, warum der Atem der Familie, bei der Baratte als Untermieter wohnt, nach Verwesung riecht. Das soll eine Anspielung auf den Friedhof und dessen Leichen sein. 

Anscheinend hat besonders die Tochter des Ehepaares eine spezielle Beziehung zu den Toten vom "Friedhof der Unschuldigen". Diese Linie wird weitergesponnen, als eine gut erhaltene Leiche auftaucht, die der Herbergstochter zum Verwechseln ähnlich sieht. Ich hätte mir hier ein realistisches Element gewünscht, das alles erdet oder es komplett ins Absurde abgleiten lässt; wie in den Geschichten Maupassants. Reicht alleine der benebelnde Verwesungsgeruch und der Wunsch, am "Alten" festzuhalten, um so zu halluzinieren? Das schrappt gewaltig an der Glaubwürdigkeit vorbei. 

Über die einzelnen Kapitel hinweg fehlt mir ein gut durchkomponierter Spannungsbogen. Formal werden unablässig Knochen ausgegraben, was von absurden Begebenheiten gesäumt wird. Diese eskalieren aber leider, wie eben beschrieben, nicht im Absurden, was ich mir persönlich gewünscht hätte. 
Während man in der 1. Hälfte noch voller Spannung dabei ist, weil man meint zu wissen, dass bald die "große literarische Bombe" platzen wird, wird man im zweiten Teil nur enttäuscht. Es ergibt sich kein Kreis und kein Konflikt, der unbedingt gelöst werden muss/will. Ohne Konflikt, keine Spannung.

Auch die Dialoge leiden an der Farblosigkeit der Figuren.

Insgesamt war ich sehr enttäuscht von dem Hörbuch, weil die sprachlichen Fähigkeiten des Autors von Großem träumen ließen.
Schade!

Wegen der brillianten Stimmung und den anschaulichen Beschreibungen vergeben ich allerdings noch folgendes Urteil:

Fazit:  relativ gutes Hörbuch

Sterne: ***,5 von **** Sterne